NFP: Der partnerschaftliche Weg

NFP ist mehr als eine Verhütungsmethode: Viele Studien haben jedoch gezeigt, dass es häufig zu einer Intensivierung der Partnerschaft kommt, wenn sich beide Partner auf den Entwicklungsprozess einlassen können.

„Bis dass der Tod uns scheidet.“

Für fast alle Paare bedeutet die gegenseitige „Bereitschaftserklärung“ zur Ehe den Beginn eines gemeinsamen Weges, der nie enden soll. Den wenigsten aber ist klar, dass mit der Eheschließung gleichzeitig eine Zukunft eröffnet wird, die weder voraussehbar noch kalkulierbar ist.
Doch wenn auch die Zukunft nicht vorherbestimmt werden kann, so können doch Grundlagen geschaffen und Fertigkeiten erworben werden, die der Story Ehe und Partnerschaft zum Erfolg verhelfen können. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass drei Dinge notwendig sind:

  1. Die Partner müssen sich mitteilen und die Äußerungen des Partners bzw. der Partnerin verstehen können.
  2. Beide Partner sollten über eine größere Anzahl von Problemlösungsstrategien verfügen und sie flexibel handhaben können.
  3. Die Partner sollten gemeinsam Zielvorstellungen und weltanschauliche Perspektiven entwickeln und sich bei der Umsetzung gegenseitig unterstützen können.

Sexualität in der Partnerschaft

Eines der wichtigsten Bewährungsfelder, in denen diese Erkenntnisse besonders zum Tragen kommen, ist der Bereich der partnerschaftlichen Sexualität. In diesem „gemeinsamen Lebensraum“ lebt das Paar zwar aus der persönlichen Entwicklungsgeschichte heraus, bleibt aber gleichzeitig nicht frei von Impulsen aus der Umwelt. Hinzu kommen aktuelle Veränderungen im Lebensumfeld (z.B. Arbeitsplatz, Umzug) und die persönlichen Lebensumstände und Entwicklungen (Geburt, alterbedingte Prozesse, Tod eines nahen Angehörigen etc.). Aus diesen Gründen gehört es zu einer der Hauptaufgaben einer Beziehung, zu einer persönlichen und partnerschaftlichen Identität zu kommen. Dazu gehört auch ein geschlechtsbezogenes Profil, das existierende Unterschiede und Lernbereitschaft zulassen kann. Das braucht Zeit und führt auf Dauer dazu, dass immer wieder eine neue Ausrichtungen und Umstellungen erforderlich werden.
In diesem Zusammenhang haben Einstellungsänderungen einen hohen Stellenwert. Sie können auf höchst unterschiedliche Weise angestoßen werden. Das Interesse und Wohlwollen am und für den Partner, die Partnerin, bilden dabei die Grundlage, um diese Herausforderungen konstruktiv nutzen zu können.

Mit der Verschiedenheit umgehen

Grundsätzlich ist von einer signifikanten Unterschiedlichkeit zwischen den Geschlechtern auszugehen. Dies ist der „Stoff“ aus dem glückliche Beziehungen entstehen. Damit daraus aber ein Entwicklungsimpuls werden kann, muss diese Verschiedenheit offenbar werden; denn erst dann kann sie ins Wort gebracht und hilfreich werden. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht alle Unterschiede ausgeglichen werden müssen und dürfen oder zu einem partnerschaftlichen Diktat verkommen.
So weisen z.B. auch glückliche Paare bisweilen Unterschiede bei der Häufigkeit der gewünschten und tatsächlichen Sexualkontakte auf, ohne dass es jedoch zu partnerschaftlichen Belastungen kommt, die die allgemeine Zufriedenheit stören würden. Mit dieser Verschiedenheit ist umzugehen. Sie darf nicht aus der partnerschaftlichen Interaktion ausgeschlossen werde.
Auch der Kontakt zu Gleichgesinnten und Familienkreisen kann eine Hilfe sein. Unterschiedliche Einstellungen und Voraussetzungen bedeuten in der Regel keine Sackgasse, sondern sind häufig der Beginn eines Veränderungsprozesses, der zu neuen „Ufern“ führt.

Es sind intensive Abstimmungen nötig

Bestandteil partnerschaftlicher Sexualität ist der Umgang mit der gemeinsamen Fruchtbarkeit und der naturgegebenen Tatsache, dass der Mann immer fruchtbar ist, während die Frau nur einmal im Zyklus, in einem eng begrenzten Zeitraum, schwanger werden kann . Damit ist die Hauptverantwortung für das Gelingen der (partnerschaftlich) getroffenen Absprache - Schwangerschaft ja oder nein - schwerpunktmäßig nach dem so genannten Verursacherprinzip beim Mann auf der Verhaltensebene anzusiedeln.
Da nun statistisch gesehen der Impuls zum Sexualkontakt meist vom männlichen Partner ausgeht - was selbstverständlich auch anders sein kann - liegt hier ein Gestaltungsmoment, welches nur durch intensive Abstimmungen zwischen den Beteiligten zu einem zufrieden stellenden Verhalten führen kann.

Es gibt kein Patentrezept

In diesem Zusammenhang wird ein häufig zu beobachtendes Phänomen relevant. Für viele Männer reduziert sich die sexuelle Begegnung oft auf Genitalität. Dies ist umso verständlicher, als sich die ersten sexuellen Erfahrungen häufig eng für sie damit verbinden. In der Partnerschaft kommt es deshalb darauf an, das Erfahrungsfeld zu erweitern und alte Muster abzulösen. Dafür braucht es Zeit und unterschiedliche Erlebensmomente.
Das Gleiche gilt für die Frau, die ebenfalls von ihrer eigenen Geschichte und Einstellungen aus der Umwelt beeinflusst worden ist. Somit ist eine Aufgabe zu bewältigen, die zwischen der Fruchtbarkeit und der sexuellen Begegnung hin und her schwingt. Dafür lässt sich kein Patentrezept finden. Es wird ein beständiges Auf und Ab geben. Was die Partnerschaft dabei bereichern kann, ist das Wissen und die damit einhergehende Erfahrung, nicht von biologischen Bedingungen abhängig zu sein, sondern diesen Bereich im gegenseitigen Einvernehmen gestalten zu können.

NFP als Ernstfall

Der Mensch ist das am meisten von seinen Sexualhormonen emanzipierte Wesen, es kommt nur darauf an, diesen Gestaltungsspielraum zu nutzen und auszubauen Welche Herausforderung damit verbunden sind, wenn Paare sich auf die NFP einlassen, lässt sich unschwer erahnen. Bei dieser Form der Empfängnisregelung wird das Paarverhalten, neben einem ausreichenden physiologischen- und medizinischen Wissen und einer körperbezogenen Erfahrung, zum Hauptfaktor, wenn diese Vorgehensweise erfolgreich und für das Paar zufrieden stellend verlaufen soll. Die Verantwortung für das eigene Handeln wird dem Paar nicht abgenommen. Man kann vielleicht sogar sagen, dass der Anspruch an die Partner erhöht wird. Sie müssen auf die physiologischen wie auf die partnerschaftlichen Voraussetzungen im Umgang mit einander achten und sollen dennoch alles dafür tun, dass die uneingeschränkte Zuneigung für einander erfahrbar bleibt.

NFP als Chance

Hier liegt auch der Grund, warum es keine Rezepte gibt, um voraussagen zu können, in welchem Umfang die NFP für die eigene Partnerschaft immer ein Erfolg bleiben wird. Viele Studien haben jedoch gezeigt, dass es häufig zu einer Intensivierung der Partnerschaft kommt, wenn sich beide Partner auf den Entwicklungsprozess einlassen können. Als Voraussetzung dafür sind die eingangs genannten Faktoren der Kommunikation eine große Hilfe.
Dennoch: keine andauernde Beziehung wird ohne Situationen auskommen, in denen es zu einseitigen Belastungen kommt. Zu einem besseren Verständnis für solche Konfliktsituationen bietet sich das „Bankkonto-Modell“ an. Hier ist grundsätzlich darauf zu achten, dass das Konto nicht so weit „überzogen“ wird, dass es zu einer Kündigung kommt. Auf das Beziehungskonto - dies gilt besonders für den sensiblen Bereich der partnerschaftlichen Sexualität –muss immer und kontinuierlich eingezahlt werden, damit auch abgebucht werden kann. Dabei ist besonders auf die Höhe der Beträge zu achten.
Wenn man über den Kontostand informiert sein will, muss man die Bankauszüge täglich kontrollieren. Das aber heißt nichts anderes als dass nach Belastungssituationen und -phasen Erholungs- bzw. Verwöhnerfahrungen einzuplanen sind. Nur auf diese Weise kann es zu einem „ausgeglichenen Haushalt“ ohne „übergroße Verschuldung“ kommen.
Partner ignorieren oft aus Gedankenlosigkeit, nicht aus Boshaftigkeit, die emotionalen Bedürfnisse des anderen. Wenn sich die Beziehung auf einem positiven Level einpendelt, werden Schwankungen sie nicht so leicht aus der Bahn werfen.

Erziehungsauftrag NFP?

Mit der Anwendung von NFP ist ein Wissenszuwachs verbunden, der weit über die Möglichkeiten der Empfängnisregelung hinausreicht. NFP erweitert das Verständnis für die Fruchtbarkeitsvorgänge im eigenen Körper und die gemeinsame Fruchtbarkeit und fördert den Dialog über die Entstehung menschlichen Lebens. Damit schafft NFP neben der Empfängnisregelung auch eine gute Grundlage für eine angemessene Sexualerziehung und die Begleitung Heranwachsender in die Welt der Erwachsenen. Im angloamerikanischen Sprachraum wird deshalb in diesem Zusammenhang auch oft der Ausdruck „Fertility Awareness“ anstelle von NFP gebraucht.

Fertility Awareness meint, dass Frau und Mann (Mädchen und Junge) sich als eigenständige Personen in und mit ihrer Fruchtbarkeit wahrnehmen und sie entsprechend gestalten. Gleichzeitig eröffnet sich die Chance, eine Gesprächskultur im Bereich Sexualität zu entwickeln, indem sich alle Körperteile und geschlechtsbezogene Äußerungen und Erscheinungsformen angemessen in Worte fassen und in den Dialog einbringen lassen.

Viele NFP Anwender und Anwenderinnen mit heranwachsenden Kinder haben das als einen der wesentlichen positiven Faktoren und Vorteil von NFP bezeichnet: miteinander und mit den eigenen Kinder frei und offen über Partnerschaft, Sexualität und Fruchtbarkeit reden und ins Gespräch kommen zu können.

NFP also ein partnerschaftliches Angebot für die ganze Familie.

Notker Klann

Quelle: NFP-Journal